Oder wie SlowTraining manchmal doch schneller wirkt.

Unser Bello ist „ein wilder“, die Klara ist ein „Trampeltier“ und die Wanja ein „Feger“. Ja klar, wir Menschen haben so unseren Wortschatz wenn es darum geht, das Verhalten unserer Hunde zu beschreiben. Das macht es nicht immer leicht, aber man entwickelt als Trainerin so seine Tricks um zum Pudels Kern zu gelangen. Und was so witzig ist, manchmal verstehe ich sehr wohl, warum die Wanja einen „Feger“ oder Bello „Wild“ genannt werden. Sie verhalten sich tatsächlich so: unkontrolliert, ungestüm, sehr beweglich im Falle von Bello; Vorwärts, schnell und direkt und scheinbar furchtlos im Falle von Wanja.
Wenn ich den Auftrag bekomme, diese Teams zu begleiten zu, ist es meine Aufgabe, für das Verhalten einen Grund zu finden und dafür zu sorgen, dass das Verhalten in der Form nicht mehr gezeigt wird. Selbstverständlich muss parallel dazu sicher gestellt werden, dass Bello, Wanja und Co. auch wissen, wie man sich in der Menschenwelt richtig verhält. Im Rahmen meiner Ethik: gewaltfrei und im Rahmen meiner Vorgehensweise: ganzheitlich und mit möglichst wenig Einwirkung.

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Buddeln würde mir jetzt gut tun…

Was ich schon lange nicht mehr mache ist, mit dem Hund dort und da zu trainieren, wo seine Probleme liegen. Zumindest nicht sofort und schon gar nicht mehr ausschliesslich. Ich habe weitgehend damit aufgehört, Hunden für alle Problemzonen ein Alternativverhalten bei zu bringen. Es verändert das Verhalten, aber nicht den Grund für das Verhalten. Es verändert sich nichts daran, ob der Hund in Zukunft beim Auftreten der Antezedenzien (die Summe der Umstände in denen er das Verhalten zeigt) ganz alleine und ohne Hilfe diese Situation bewältigen kann. Sehr häufig geht es hier um Situationen des Alltags: ruhig durch die Haustür gehen, gefasst aus dem Auto steigen und „bei sich“ bleiben wenn Radfahrer kommen oder auch nicht dauerhaft in die Leine rennen, mal „gehen“ statt „hüpfen“, bei mir sein, statt durch die Gegend zu scannen … die Liste ist endlos, und ja der Alltag hat ausreichend von diesen Herausforderungen für unsere Hunde parat. Dennoch ist es wünschenswert, dass unsere Hunde Alltagssituationen selbstständig und selbstwirksam können.

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Ich schnüffele mich weg

 

Wenn der Alltag allerdings so voller Hürden ist, wird es für den Hundehalter wirklich brenzlig. Und das ist ziemlich egal, auf welchem Trainingsstand sich Hund und Halter befinden. Denn der Hund hat immer Recht. Er hat für seine Verhaltensweisen sehr gute Gründe. Nur verstehen oder sehen wir sie nicht immer. Wir beurteilen das Verhalten meistens daran, wie sehr es störend ist, hindert oder wie grell wir dadurch auffallen. Und ja sicher: je lauter und muskulöser das Verhalten, desto grösser die Verzweiflung des Hundes. So weit so gut. Wenn ich das im Erstgespräch erzähle, versteht es fast jeder Kunde. Bis wir zum ersten mal nach draussen kommen. Da geht es bald schon los: körperlich einschränken, NEIN sagen, sitz-sitz-SITZ-SIIIIIITZ! und so weiter. Und der Vulkan explodiert zusehends mehr. „Jetzt sehen Sie mal, wie er so sein kann.“ Das ist nicht nur ein bisschen „Wild“, oder „kernig“ oder „dumm“. Das ist meistens die reinste Überforderung. Weil es alles zu schnell, zu direkt geht und das Hirn und die Emotionen schlicht und ergreifend nicht mehr nachkommen. Dann muss der Körper agieren.



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Ich muss laufen laufen laufen…

 

 

Aber wie geht es denn?

Oftmals fang ich an mit sehr leichten Verhalten und großer Verstärkung. Nach und nach kann man das im Laufe der Zeit nivellieren. Im Lerntempo des Hundes. Ich schaue, was er überhaupt kann, wann und wo er Initiative zeigt und überlege, was ich damit anfangen kann und wie ich darauf aufbauen werde. Das positive Training ist gerade das Mittel der Wahl um gegen Frust und Verzweiflung an zu kommen. Es wandelt negative in positive Emotionen um… oder erhöht zumindest die Frequenz und Anzahl der angenehmen Momente im Alltag des Hundes, der Hund wird gestärkt und bekommt Interesse an der Kooperation mit uns. Training mit positiver Verstärkung befähigt den Hund zu mehr erwünschten Verhaltensweisen.

Dennoch bleibt die Frage: warum nur kann er diese banalen Situationen nicht von sich aus meistern?

Mit der Tellington TTouch Methode, in Kombination mit der Slow-Trainings-Mentalität von BAT, kommt man schnell dahinter, was der Hund an Baustellen hat: im Körper, im Geist und in den Emotionen. Wir müssen keine Diagnosen stellen, nur beobachten und wahrnehmen. Wir können feststellen, was geht, und was nicht geht. Und wenn es gerade mal geht, dann wie genau? Wir schauen Körperhaltungen und -ausrichtungen an. Wann geht er enthemmt nach vorne, oder wann zögert er?  Wir sehen, welche Körperteile bevorzugt eingesetzt und welche vernachlässigt werden. Wir bieten andere Haltungen und andere Bewegungsabläufe an. Nicht in dem wir gezielt Neues abfragen, sondern in dem wir dem Hund seines Körpers und seiner Bewegungen bewusster machen. Wir geben ihm das Wissen und die Kontrolle über seinen Körper zurück so dass er den Alltag anders wahrnehmen kann, aus einer Perspektive angereichert mit mehr Sicherheit im eigenen Körper. Sicherheit führt zu mehr Ruhe. Auch an der Leine.
Durch das BAT Training geben wir dem Hund Zeit und Raum, mal mit mehr, mal mit weniger und mal ganz ohne Hilfe die Situationen zu bewältigen.

Nehmen wir das Beispiel: „Fiddeln an der Leine“:

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In die Ferne schauen …

Ich möchte wissen: Wann genau macht er das? Wie lange geht das schon? Macht er es immer? Wo? Wie heftig? Was kam davor? Waren es mehrere Stressauslöser?
Und siehe da: oftmals bekomme ich in dem ersten Gespräch noch von vielen anderen Nebenbaustellen zu hören: er lässt sich nicht bürsten, wir können keine Zecken entfernen, er verteidigt sein Spielzeug, er will das Geschirr nicht tragen, er frisst mäklig, wir kommen mit dem Leinentraining nicht weiter, er ist nachts unruhig… auch diese Liste ist endlos.

Viele kleine Stressauslöser wirken genau so stark wie ein einziger großer und das macht es für viele Besitzer schwer, das Verhalten zu verstehen, weil kleine Stressauslöser für die menschliche Wahrnehmung oftmals nicht als solche verstanden werden.

Manchmal finde ich die heraus, wenn ich eine Gassirunde mit einem Team drehe und beobachte, wie sich der Hund bewegt, sich hält, was er oft tut und was er gar nicht tut, was er meidet und wo er sich nur durch schnelle Bewegungen helfen kann. Sehr häufig hilft mir ein einfaches Mittel wie die Tellington TTouch Bodenarbeit, um raus zu finden, wo der Hund sich eingeschränkt fühlt, was er denkt nicht zu können. Und genau so kann ich ihm diese Unsicherheiten auch nehmen in dem ich ihm neue Möglichkeiten für seinen Körper und seine Selbstwahrnehmung aufzeige.

Verhalten kann gemessen werden. Wir können feststellen wann es auftritt und wir können feststellen, ob es stärker oder weniger wird. Wenn ein Trainingsansatz gut gewählt ist und an allen Schraubstellen gedreht wurde, an denen zu drehen ist, dann kommt man auf jeden Fall weiter. Übersehen wir welche, dann bleibt das Training zäh und frustrierend – für alle Beteiligten. Durch die Kombination von Stressbewältigung, Management und selbstwirksamem Training, wird der Hund innerlich stärker, resilienter und er bekommt mehr Selbstbeherrschung und Impulskontrolle. Er weiss, was er kann und wie er das kann und nach und nach kommt mehr Ruhe und Sicherheit in das Verhalten.

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Keine stabile Stehposition

Manche Hunde haben sich jedoch aus genau den gleichen Gründen ein ganz anderes Verhalten als Bewältigungsstrategie zugelegt: dauerhaft bellen, sich aus der Situation wegbeamen, „dicht machen“, Mäuse buddeln oder sonstige jagdlich aussehende Verhaltensweisen: in die Ferne scannen, Spuren nachgehen, Ausbüxen und Kreise laufen mit Nase auf dem Boden oder auch nicht.
Egal welche Emotion dem Verhalten zu Grunde liegt, Bewegung, auch wenn sie jenseits des Volumenreglers stattfindet, erleichtert den Stress für den Hund ungemein. Deshalb bin ich immer sehr interessiert an der Qualität und Quantität seiner Bewegungen.

Aus meinen Praxiserfahrungen heraus sind alle diese Handlungsweisen stressbedingt. Die allergrösste Mehrzahl davon resultiert aus körperlichem Stress, deutlicher gesagt: Schmerzen. Das sind nicht immer Rücken-, Muskel- oder Gelenkschmerzen. Das kann auch Bauchweh sein, oder Juckreiz. Das kann situativ sein, leider aber auch oftmals chronisch. Kurz gesagt: alles was den Körper umkomfortabel macht gehört „bearbeitet“.

Bevor man einen weiteren Trainingsweg für dieses störende Verhalten sucht, sollte man möglichst daran arbeiten, dass er sich im Körper wohl fühlt, denn „jeder Hund hat das Potential sich perfekt zu fühlen“.

Also, wenn Sie sich über die mangelhafte Leinenführigkeit ärgern, und darüber hinaus noch wünschen würden, Ihr Hund wäre etwas ruhiger,… dann ist es Zeit das Ganze ganzheitlich an zu gehen und nebenher die richtige Dosierung des Leinentrainings zu finden.

In diesem Sinne, alles Gute und bleiben Sie locker!

Katrien Lismont

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